24.01.2017 | 20:29
24.01.2017 | 20:29
Zwischen Markt und Lücke
Fakten
Auf
2,9 Millionen ist nach neuesten Berechnungen des Statistischen
Bundesamts die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland gestiegen.
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Etwa
drei Viertel (2,08 Millionen) aller Pflegebedürftigen wurden zu
Hause versorgt, die meisten davon allein von Angehörigen. Das
betraf knapp 1,4 Millionen. Bei rund 692.000 der Menschen, die zu
Hause gepflegt wurden, geschah das mit Hilfe ambulanter
Pflegedienste.
-
Gut
ein Viertel (783.000) der Pflegebedürftigen lebten in
Pflegeheimen. Im Vergleich zu 2013 stieg die Zahl der in Heimen
vollstationär betreuten Menschen eher unterdurchschnittlich um 2,5
Prozent oder 19.000 - im Vergleich zu 2001 sind es allerdings
192.000 mehr, was einem Anstieg um ein Drittel entspricht. Deutlich
zugenommen hat die Pflege zu Hause um 11,6 Prozent oder 215.000
zwischen 2013 und 2015, was auch auf die zahlreichen Reformen der
Pflegeversicherung zurückzuführen ist.
-
Im
Schnitt betreute ein Pflegedienst 52 Pflegebedürftige. Von den
rund 13.300 ambulanten Diensten waren etwa zwei Drittel in privater
Trägerschaft. Ein Drittel hatte einen freigemeinnützigen Träger,
wozu etwa Diakonie und Caritas zählen. Insgesamt arbeiteten bei
den Pflegediensten rund 356.000 Beschäftigte, die Mehrheit davon
in Teilzeit. Das entspricht dem Statistikamt zufolge etwa 239.000
Vollzeitstellen. Von den 2,9 Millionen Pflegebedürf- tigen wiesen
etwa 1,2 Millionen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz
auf.
-
Mit
zunehmendem Alter steigt der Anteil der Pflegebedürftigen unter
den Seniorinnen und Senioren. Im Jahr 2015 waren laut Statistischem
Bundesamt 83 Prozent der Pflegebe-dürftigen 65 Jahre und älter,
37 Prozent sogar mindestens 85 Jahre alt.
Quelle: n-tv.de,
AFP, 16.01.2017
Hilfsbedürftig
vor der Pflegebedürftigkeit
Weisen
aber nun alle, die nicht bereits eine Pflegestufe bzw. einen
Pflegegrad beantragen könnten, wirklich noch eine uneingeschränkte
Alltagskompetenz auf? Die Antwort kann sich im Grunde jeder selbst
geben, der sich vor Augen führt, wie der Alterungsprozess gewöhnlich
verläuft, nämlich schleichend. Ganz gewöhnliche Verrichtungen des
Alltagslebens, die früher nicht der Rede wert waren, werden mit den
Jahren zunehmend mühsamer. Und plötzlich stellt man fest: Schwer
Tragen, auf eine Leiter Steigen, stundenlanges Schneeschippen oder
Holzsägen, fummelige Wartungsarbeiten am Rasenmäher oder PKW - das
alles lässt man doch lieber bleiben. Ein unglücklicher Sturz
hinterlässt leicht erhebliche Einschränkungen der
Bewegungsfähigkeit. Die Kräfte lassen allgemein nach. Vielleicht
trübt sich sogar dauerhaft die Stimmung ein. Man ist ohne Antrieb
und schnell erschöpft. Und schon ist sie da, die Hilfsbedürftigkeit.
Von der Pflegeversicherung bekommt man jedoch nichts. Da müsste es
erst noch viel schlimmer kommen.
Ältere
Menschen mit hohen Altersbezügen oder Angehörigen, die sich
finanziell engagieren (können), sind dabei nicht die Hauptsorge. Sie
sind in der Lage, notfalls Handwerker zu beauftragen oder eigene
Hilfskräfte einzustellen, die Haus oder Wohnung putzen, den Garten
pflegen usw. Doch was ist mit der wachsenden Zahl derer, die aufgrund
von Niedriglöhnen, Hartz IV- bzw. ALG II-Bezug, Krankheit,
unterbrochener Erwerbsbiografien usw. (darunter zwangsläufig viele
pflegende Angehörige, die erzwungenermaßen auf Teilzeit gehen oder
ganz aus dem Beruf aussteigen!) in Altersarmut fallen? Eine im Jahr
2008 veröffentliche Untersuchung des Hessischen Sozialministeriums
mit dem Titel "Haushaltsnahe
Dienstleistungen in Hessen - Bedarfsanalyse bezogen auf Haushalte
älterer hilfs- bzw. pflegebedürftiger Personen" bemerkt hierzu
(vgl. S. 2):
>>
Der Verweis auf eine im Durchschnitt nicht unerhebliche Verbesserung
der Einkommenssituation von Haushalten älterer Personen darf dennoch
nicht darüber hinweg täuschen, dass sich auch hier
einkommensschwache Teilgruppen – bspw. allein lebende Frauen in
hohen Altersstufen – finden, bei denen es eine besondere letztlich
sozialpolitische Herausforderung ist, entsprechende ergänzende
Unterstützungsangebote zugänglich zu machen.4 <<
Versorgungslücke
Die
vorerwähnte Bedarfsanalyse Haushaltsnahe
Dienstleistungen...unterscheidet deutlich zwischen im engeren Sinne
Pflegebedürftigen (die natürlich immer auch unter den Begriff der
Hilfsbedürftigkeit fallen) und Hilfsbedürftigen im Sinne von noch
nicht Pflegebedürftigen. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden
Gruppen geschieht streng formal. Und damit beginnt das Problem, dass
Hilfsbedürftigkeit außerhalb von Pflegebedürftigkeit nur noch
unzureichend wahrgenommen wird und aus dem Fokus der notwendigen
Daseinsvorsorge verschwindet. Die o.g. Studie führt hierzu in ihrer
Einleitung aus:
>>
Mit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung wurde zwar
ein wesentlicher Beitrag zur rechtlichen und finanziellen Absicherung
des Risikos einer Pflegebedürftigkeit geleistet. Der ihr zugrunde
liegende Begriff der Pflegebedürftigkeit ist im Kern jedoch
funktional und defizitbezogen und kann daher insbesondere
alltagsergänzende, an den individuellen Bedürfnissen hilfs- oder
pflegebedürftiger Menschen orientierte Leistungen nicht in einem
ausreichenden Umfang berücksichtigen. Gerade im Bereich haushalts-
und lebensweltnaher Dienstleistungs- und Betreuungsangebote, zu denen
Reinigungsarbeiten wie Kommunikations-angebote zählen, können Lücken
entstehen, die die Selbständigkeit gefährden, die Lebensqualität
einschränken und ein Leben in einem häuslichen, selbst bestimmten
Umfeld erschweren. <<
Zum
einen wird hier anerkannt, dass unter der politischen Prämisse,
nicht zuletzt aus Kostengründen dem Wunsch der meisten Senior_Innen
und ihrer Angehörigen zu entsprechen, möglichst lange in der
eigenen häuslichen Umgebung wohnen zu bleiben, eine Lücke
entstanden sei, die "alltagsergänzende, an den individuellen
Bedürfnissen hilfs- oder pflegebedürftiger Menschen orientierte
Leistungen" betrifft. Zum anderen aber geht man allzu leicht
über die Tatsache hinweg, dass der Begriff
der Pflegebedürftigkeit, wie er dem Pflegegesetz zugrunde liegt,
trotz aller Defizitbezogenheit ja spätestens mit der letzten
Pflegereform leicht auf die hier genannten Gefährdungen der
Selbständigkeit und Lebensqualität hätte ausgeweitet werden
können. So wäre es z.B. naheliegend gewesen, durch Ausdehnung der
Pflegestufe Null auf den Kreis derer, die zumindest eine teilweise
eingeschränkte Alltagskompetenz aufweisen, ohne dement oder ständig
auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, die Inanspruchnahme so genannte
Alltagsbegleiter
auf Kosten der Pflegekasse zu ermöglichen. Man hat dies wiederum
nicht getan, um die durch das Pflegestärkungsgesetz 2017 bedingten
Kostensteigerungen zu deckeln, und spart damit gleich zweimal zu
Lasten der nicht vom Begriff der Pflegebedürftigkeit im engeren
Sinne erfassten Hilfsbedürftigen: Zum einen entlastet man
Pflegekassen und Sozialetats von den Aufwendungen für die stationäre
Pflege, die selbst alleinstehende Senioren mit beginnenden
Einschränkungen der Alltagskompetenz so lange wie möglich zu
vermeiden suchen, aber eigentlich mangels familiärer Unterstützung
in Anspruch nehmen müssten, um nicht zu verwahrlosen oder erhebliche
Einbußen an Lebensqualität zu erleiden. Zum anderen entfallen
selbst die erheblich niedrigeren Ausgaben für ambulante
"alltags-ergänzende Leistungen", die außerhalb der
aktuell geltenden Anspruchsvoraussetzungen (Pflegebedürftigkeit)
liegen.
In
diesem Zusammenhang stellt sich automatisch die Frage, ob überhaupt
eine ausreichende Zahl von geeigneten Kräften zur Verfügung steht,
um den Bedarf an Alltagshilfen abzudecken. Gründe, dies in Zweifel
zu ziehen, gibt es genügend. Zwar wird dieser Sektor bereits seit
geraumer Zeit als neues Geschäftsfeld zum Beispiel für
Pflegedienste propagiert und es gibt bereits gewerbsmäßige
Agenturen wie das Start-up-Unternehmen "helpling",
die - allerdings nur für Senioren mit Pflegestufe - eine Art
Komplett-Service inklusive Antragstellung und Abrechnung bei der
Pflegekasse anbieten. Spezielle Portale wie www.pflegehilfe.org
erleichtern die Betreuer-Auswahl durch die Präsentation mehrerer
Agenturen. In Ballungsgebieten scheint die Vermittlung bereits recht
zuverlässig zu funktionieren.
Dies
gilt jedoch nicht auf dem "platten Land". Hier wird Hilfe
im Haushalt bestenfalls und vereinzelt nur über Träger großer
Pflegedienste (Diakonie, Caritas) angeboten und das zumeist auch nur
im Rahmen erheblicher Pflegebedürftigkeit
(Rund-um-die-Uhr-Versorgung). Es ist zu vermuten, dass
Betreuungsleistungen unterhalb dieser Schwelle - wenn überhaupt - zu
einem hohen Prozentsatz durch Schwarzarbeit abgedeckt werden. Man
spricht hier in Pflege-Kreisen - von einem zweiten,
dritten oder gar vierten Arbeitsmarkt.
Wie
hoch die Zahl derjenigen ist, die - u.U. alleinstehend und daher ohne
jegliche familiäre Unterstützung - aufgrund eingeschränkter
Alltagskompetenz eigentlich bereits ergänzende Hilfen (zumeist wohl
in Form haushaltsnaher Dienstleistungen) brauchten, weiß man nicht.
Man kennt nicht einmal die exakte Zahl der Pflegebedürftigen und
pflegenden Angehörigen, die keine der ihnen gesetzlich zustehenden
Leistungen in Anspruch nehmen oder denen - aufgrund falscher
Begutachtung oder unter Missachtung der einschlägigen
Richtlinien die entsprechenden Leistungen vorenthalten werden.
Alarmierend: Jeder
dritte Antrag auf Pflegeleistungen wird zunächst abgelehnt!!!
Und dann "beklagt" man, dass das Geld bei den Pflegekassen
liegen bleibe! RP-Online
stellt hierzu fest:
>>
Jedes Jahr steigt die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland.
Doch viele Betroffene und deren Angehörige nehmen die ihnen
zustehenden Leistungen der Pflegekassen gar nicht oder nur
unvollständig in Anspruch. Das gilt insbesondere für die
sogenannten "zusätzlichen Betreuungs- und
Entlastungsleistungen", die beispielsweise mehr professionelle
Hilfe bei der Pflege ermöglichen, oder haushaltsnahe
Dienstleistungen wie Einkaufs- oder Putzhilfen umfassen.
So
ergab eine Abfrage unserer Redaktion bei den großen Pflegekassen,
dass selten mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen auch
tatsächlich die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nimmt.
Einzig bei der AOK Rheinland, einer der größten Kassen
Deutschlands, erhielten im vergangenen Jahr 52,4 Prozent der
Anspruchsberechtigten entsprechende Leistungen. Das war aber nur dann
der Fall, wenn sie von einem ambulanten Pflegedienst betreut wurden.
Bei Pflegebedürftigen ohne professionelle Betreuung, die nur von
ihren Angehörigen umsorgt werden, lag die Quote mit 17 Prozent
erheblich niedriger. <<
Wie
niedrig mag da erst die Inanspruchnahme-Quote bei alleinstehenden
Senioren ohne Unterstützung von Angehörigen sein!? Und hier ist ja
nur die Gruppe der per definitionem Pflegebedüftigen angesprochen.
Wie viele zumindest partiell Hilfsbedürftige ohne die notwendige
Unterstützung bleiben, mag man sich gar nicht vorstellen. Unter
welchen Umständen leben diese Menschen?
So
entlastet sich der deutsche Staat
Wie
wir bereits festgestellt haben, ist den für Fragen der
Daseinsvorsorge Zuständigen die beschriebene Versorgungslücke
keineswegs verborgen geblieben. Es fehlt nur der Wille, deren
Schließung als eine öffentliche Aufgabe anzusehen. Die beste
Antwort auf ein Problem ist immer eine Lösung, und zwar eine in
umfassendem Sinne und aus einem Guss. So denkt man als normaler
Mensch und so denkt man zum Beispiel auch in Schweden.
Menschen altern nun mal und werden bei Krankheit oder mit
vorrückendem Alter zunehmend unterstützungsbedürftig. Und diese
Unterstützung wird ganz selbstverständlich als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe - fast ausschließlich der Kommunen -
aufgefasst, die sämtliche Phasen des Alterungsprozesses einbezieht.
Ab
dem 70. Lebensjahr erfolgen flächendeckend kostenlose
vorbeugende Hausbesuche, um den eventuellen Hilfebedarf der älteren
Menschen festzustellen. Auszug aus dem Bericht
"Altenfürsorge in Schweden":
-
>>
Etwa 90 Prozent der Altenfürsorge wurde 2005 in kommunaler Regie
betrieben. Manche Kommunen haben die Altenpflege an einschlägige
Dienstleistungsfirmen übertragen. Einige haben ferner
Wahlmöglichkeiten für ältere Menschen bezüglich der häuslichen
Pflege und des betreuten Wohnens eingeführt – ausgeübt von
kommunalen oder privaten Trägern. Ziel der von den Kommunen
ausgeführten Altenpflege ist die Möglichkeit, älteren und
behinderten Menschen ein normales und selbstständiges Leben zu
gewährleisten. Sie sollen so lange wie möglich in den eigenen vier
Wänden wohnen können.
-
Zu
Hause werden den Älteren verschiedene Arten von Unterstützung
angeboten. Diese Unterstützung besteht unter anderem aus Essen auf
Rädern oder Hilfe beim Putzen und Einkaufen, Sicherheitsalarm und
Fahrbereitschaft. Darüber hinaus gibt es Pflege und Betreuung, die
vom häuslichen Pflegedienst oder der ambulanten Krankenpflege
angeboten wird.
-
Ganze
94 Prozent der über 65-Jährigen Schweden leben weiterhin in
normalen Wohnungen und Häusern. Der Anteil sinkt mit zunehmendem
Alter. Bei der Planung von Wohnungen und Wohngebieten achten die
schwedischen Kommunen darauf, dass auch ältere Menschen und
Menschen mit Behinderungen dort leben können. Auch sollen die
kommerziellen und öffentlichen Dienstleistungen leicht zugänglich
sein, damit ältere Menschen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und
selbstständig sein können.
-
[...]
Bei der Renovierung älterer Häuser wird ein Teil der Wohnungen
angepasst, um den Bedürfnissen und Wünschen älterer Menschen
Rechnung zu tragen. Ältere Personen mit Behinderungen können bei
der Kommune eine Beihilfe zur altersgerechten Anpassung der Wohnung
beantragen, damit sie weiterhin dort wohnen können. Bei Bewilligung
des Gesuchs trägt die Kommune die gesamten Kosten, ungeachtet der
finanziellen Voraussetzungen des Antragstellers. Die Beihilfe kennt
keine Obergrenze. 2005 betrugen die durchschnittlichen Kosten einer
für eine behinderte Person angepassten Wohnung 13.200 Kronen.
-
[...]
In Schweden wollen immer mehr Ältere in einer Seniorenwohnung
leben. Hierbei handelt es sich um normale Wohnungen für über
55-Jährige. Sie wurden unter dem Aspekt der bestmöglichen
Barrierefreiheit geplant. Zum Teil bestehen sie aus Neubauten,
während andere wiederum normale Wohnungen sind, bei denen im
Zusammenhang mit Umbauten und Renovierungen die Zugänglichkeit
verbessert wurde.
-
[...]
Der Anpassungsgrad variiert. Die Bewohner solcher Anlagen können zu
Hause häusliche und ambulante Pflege erhalten. Zur besseren
Sicherheit der Bewohner haben viele solche Wohneinheiten eigene
Hausmeister. Auch Gemeinschafts-räume, beispielsweise Küchen mit
der Möglichkeit des gemeinsamen Kochens sind vorgesehen.
-
Älteren
Menschen, die weiter in ihren eigenen vier Wänden leben, stehen zur
Erleichterung mehrere Formen der Unterstützung zur Verfügung.
Nahezu alle Kommunen in Schweden haben Essen auf Rädern im Angebot,
die an ältere und behinderte Menschen geliefert werden. Fast die
Hälfte der Kommunen bietet gemeinsame Mahlzeiten in Tageszentren
für Ältere an. Eine geringere Anzahl Kommunen organisiert
Kochteams für Ältere in kleineren Gruppen. Kann eine ältere
Person nicht mehr den Alltag alleine bewältigen, kann sie von der
Kommune eine häusliche Pflege beantragen. Der Umfang dieser
Beihilfe wird geprüft.
-
[...]
Ältere und behinderte Personen haben Anspruch auf Fahrbereitschaft
mit dem Taxi oder einem speziellen Fahrzeug. Dies gilt für
Personen, die keine allgemeinen Verkehrsmittel benutzen können.
Über die Hälfte der Fahrdienstberechtigten ist über 80 Jahre alt.
-
[...]
In den letzten Jahren erfolgte die Einführung mehrerer neuen Formen
des präventiven Gesundheitsdiensts für ältere Menschen. Studien
haben die guten Auswirkungen solcher Maßnahmen nachgewiesen. Ein
Beispiel dafür sind physische Aktivitäten auf Rezept, sowohl als
Präventivmaßnahme wie auch als Behandlung. Es wird nicht nur
allgemein Bewegung verschrieben, sondern eine bestimmte Art
physischer Aktivität, eventuell kombiniert mit der Verabreichung
von Arzneimitteln. Ärzte überwachen das Ergebnis.
-
Bei
älteren Menschen stellen Körperverletzungen das größte
gesundheitliche Risiko dar. Bei älteren Menschen werden ferner
umfangreiche Maßnahmen zur Reduzierung von Unfällen durch Stürze
durchgeführt. Diese bestehen in Information und Bereitstellung von
speziellen „Hilfskräften“ in kommunaler Regie, die den älteren
Menschen beispielsweise beim Aufhängen von Vorhängen und
Auswechseln von Glühbirnen zu Hause behilflich sind. Eine
Pflegegarantie gilt in allen Phasen der Pflege. Alle
Pflegebedürftigen sollen beispielsweise innerhalb von sieben Tagen
einen Arzttermin erhalten. Eine fachärztliche Behandlung soll nach
Überweisung innerhalb von 90 Tagen erfolgen.
-
Ungefähr
drei Viertel der Kosten für die Gesundheits- und Krankenpflege
werden über Steuereinnahmen finanziert. Staatliche Zuschüsse
decken etwa 20 Prozent ab. Die in normalen Wohnungen oder besonderen
Wohneinrichtungen ausgeführte Krankenpflege für ältere und
behinderte Menschen wird vor allem über die Kommunalsteuer
finanziert. Patientengebühren decken gut drei Prozent der
Gesamtkosten für die Gesundheits- und Krankenpflege. <<
Dem Denken der deutschen Sozialpolitik
zufolge ergibt sich aus der gesamt-gesellschaftlichen Aufgabe der
Vorsorge für Lebenssituationen, die früher oder später fast jeden
treffen, der nicht schon in jungen Jahren vom Blitz erschlagen oder
vom plötzlichen Herztod hinweg gerafft wird, lediglich eine Art
Teilkasko mit hoher - schicksalsabhängiger - Selbstbeteiligung. Dies
dürfte auf die mentale Verhaftung in jenen finsteren Zeiten
zurückzuführen sein, in denen es als Pflicht des Volksgenossen
galt, für seine Blutsgemeinschaft Leben und Gesundheit aufzuopfern,
und ein verbrecherischer Staat so viele Millionen zu Opfern machte,
dass jede Wiedergutmachung über das Symbolische hinaus den
Staatsbankrott verursacht hätte. Mit derselben Schäbigkeit, mit der
man die Entschädigung
von KZ-Opfern so lange verzögerte, bis kaum noch Überlebende
vorhanden waren, man Arbeitslosen und Alleinerziehenden die
Sozialleistungen kürzte, die Kinderarmut
mit einem "Bildungs- und Teilhabepaket" von grotesker
Wirkungslosigkeit bekämpfte usw., usw., beutet man auch die
Opferbereitschaft von pflegenden Familienangehörigen erst einmal
gründlich aus, bevor man "Verbesserungen" einführt, die
kaum mehr als Almosen darstellen und einem abgenagten Knochen ähneln,
der mit jeder "Stärkung" des Pflegegesetzes nur ein Stück
näher an den leeren Futternapf herangeschoben wird. Wer Leistungen
beantragt, gilt nicht als Anspruchsberechtigter, sondern als
Bittsteller, der sich womöglich zu erschleichen versucht, was ihm
gar nicht zusteht. Die hohe
Erfolgsquote von Hartz-IV-Klagen und Klagen
gegen die Nichtbewilligung von Pflegestufen vor den
Sozialgerichten spricht eine beredte Sprache.
Entsprechend
heuchlerisch ist es, wenn auch in der bereits zitierten
Bedarfsanalyse zu haushaltsnahen Dienstleistungen die Verantwortung
für eine unzureichende Inanspruchnahme des Angebots den potenziell
Anspruchsberechtigten zugewiesen wird.
Alltagshilfen
- Kein Bedarf oder kein Angebot?
Selbst
wenn die Verhältnisse so wären wie in Schweden und die Kommunen
jedem älteren Menschen, der in seiner Wohnung nicht mehr mit allem
zurecht kommt, die notwendige Unterstützung bei geringem Eigenanteil
finanzieren würde... Es müsste zunächt einmal geklärt werden, ob
einer entsprechenden Nachfrage denn überhaupt ein ausreichendes
Angebot gegenüber stünde! Wir zitieren wiederum die Bedarfsanalyse
Haushaltsnahe Dienstleistungen...(S. 2):
>>
Ambulante Pflegedienste setzen sich bisher nur vereinzelt mit solchen
ergänzenden Dienstleistungen auseinander.5 Mit dem Aufbau
eines Angebotes haushaltsnaher Dienstleistungen können Pflegedienste
jedoch zielgerichtet ihr Leistungsportfolio und damit ihre
wirtschaftliche Basis erweitern. Die Passgenauigkeit des eigenen
Leistungsangebotes im Hinblick auf den tatsächlichen Bedarf der
Haushalte älterer Menschen nimmt zu. Den Pflegediensten ist dann ein
nicht unwesentliches Instrumentarium an die Hand gegeben, um sich
gegenüber Angeboten der Schattenwirtschaft und des Schwarzmarktes
besser behaupten können. Mit dem Aufbau haushaltsnaher
Dienstleistungsangebote ist damit auch ein beschäftigungs- bzw.
arbeitsmarktpolitischer Impuls verbunden: Es entsteht ein
zusätzliches Beschäftigungsfeld mit legalen
Beschäftigungsverhältnissen. Systematische Informationen zu dem
beschriebenen Untersuchungsfeld liegen bisher insgesamt nur
vereinzelt und bezogen auf Hessen überhaupt nicht vor. Insbesondere
dem Blick auf die Bedarfslage der Haushalte, in denen ältere
Menschen leben, fehlt dabei eine belastbare Datengrundlage.6<<
Allerdings
ist seit Drucklegung dieser Einschätzung bereits fast ein Jahrzehnt
vergangen. Von fehlender Auseinandersetzung mit diesem Aufgabenfeld
kann aktuell jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Auf zahlreichen
Webseiten begegnen wir immer ähnlichen Beschreibungen:
-
"Wohnung,
Einkauf, Wäsche, Garten – in dieser Hinsicht stellt die
Bewältigung des Alltags für viele Menschen eine Belastung dar. Wenn
zusätzlich Erkrankungen oder Gebrechlichkeiten vorliegen und die
vielen Haushaltsaufgaben nur noch eingeschränkt abgearbeitet werden
können, kann auch schon ein wenig Hilfe enorm entlasten."
-
"Viele
Senioren benötigen mit zunehmendem Alter Hilfe im Haushalt und im
Alltag. Das bedeutet noch keine pflegerische Betreuung. Es sind
eher die kleinen Dinge des Alltags, die mit der Zeit mühsam werden,
bei denen sich viele unterstützen lassen möchten: etwa bei der
Gartenpflege, beim Hausputz, Einkaufen, Spazierengehen,
Behördengängen, Arztbesuchen oder auch bei nötigen Reparaturen.
Oft leisten Angehörige, Freunde, Bekannte und Nachbarn solche
Alltagshilfe. Doch nicht jeder kann oder will bei Bedarf auf
familiäre oder Freundschaftsdienste zurückgreifen. Eine Alternative
bieten mobile Hilfsdienste oder ambulante
Pflegedienste. Sie erleichtern den Alltag und helfen, die
Selbstständigkeit zu erhalten."
-
"Sie
sind allein und wünschen sich jemanden, der Sie ab und zu beim
Spaziergang begleitet? Oder sind Sie pflegender Angehöriger und
wünschen sich eine nette Betreuung, die für ein paar Stunden in der
Woche nach Hause oder ins Pflegeheim kommt und Ihren
Pflegebedürftigen unterhält, mit ihm etwas unternimmt oder ihm
einfach etwas vorliest? All dies ist möglich. [...]
Mit
dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurde der Beruf der
Betreuungskraft nach § 87b SGB XI geschaffen: Sowohl stationäre
Pflegeeinrichtungen wie Pflegeheime als auch teilstationäre
Tagespflege-Einrichtungen können seither das sog. zusätzliche
Betreuungspersonal einstellen. Derzeit gibt es in Deutschland rund
25.000 Betreuungskräfte, laut Pflegestärkungsgesetz I sollen es in
den nächsten Jahren bis zu 45.000 werden. Wer die entsprechende
Qualifikation erworben hat, darf sich „Betreuungskraft oder
Seniorenbetreuer bzw. Alltagsbegleiter gem. § 87b SGB XI“ nennen.
Aber auch in der häuslichen Pflege sind Alltagsbegleiter und
Betreuungskräfte willkommen. Ihre Betreuungsleistungen werden von
den Pflegekassen bezahlt, entweder über die Verhinderungspflege oder
im Rahmen der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen."
-
"Den
Ruhestand unbeschwert in den eigenen vier Wänden genießen – das
wünschen sich die meisten von uns. Altersbedingte körperliche
Einschränkungen führen jedoch häufig dazu, dass Senioren Hilfe im
Alltag benötigen.
[...]
Seniorenheime haben häufig den Ruf, Eigenständigkeit und
Entscheidungsfreiheit des Einzelnen zu sehr einzuschränken. Wer
körperlich und geistig fit ist und nur in bestimmten
Alltagssituationen Hilfe benötigt, möchte sich nicht bevormunden
lassen. Aus diesem Grund ist ein Pflegeheim nicht immer die richtige
Wahl.
Für
solche Menschen hat sich ein neues Berufsbild entwickelt: die
Senioren-Assistenten. Diese kümmern sich in erster Linie um die
Alltagsorganisation und -gestaltung.
[...]
Senioren-Assistenten schließen die Lücke zwischen einer
selbstständigen Lebensweise und einem Leben im Pflegeheim. Wenn
Angehörige in einer anderen Stadt wohnen oder durch ihren Beruf
stark eingebunden sind, sorgen die Assistenten für die nötigen
sozialen Kontakte und für die reibungslose Bewältigung des
Alltags."
-
>>
Unterstützung und Hilfe im Alltag werden insbesondere für ältere
Menschen immer wichtiger. Sie tragen dazu bei, im Alter so lange wie
möglich selbstständig in der vertrauten Umgebung leben zu können.
Hier setzen Senioren- und Generationenhilfen mit ihren
Angeboten an. Sie bieten die Unterstützung, die tragfähige
nachbarschaftliche Strukturen in der Vergangenheit geleistet haben.
Sie bieten Gemeinschaftsaktivitäten und gestalten mit den
Seniorinnen und Senioren das direkte Lebensumfeld in ihrer Kommune
mit. Im Rahmen der Seniorenpolitischen Initiative Hessen haben wir
von 2012 bis Ende 2014 das Modellprojekt „Aufbau von Senioren- und
Generationenhilfen“ durchgeführt. In ausgewählten ländlich
geprägten Landkreisen und im Umfeld von Freiwilligenagenturen wurde
die Idee der Senioren- und Generationenhilfen bekannt gemacht und
interessierte Bürgerinnen und Bürger wurden beim Aufbau ihrer
Initiativen begleitet und unterstützt. Senioren- und
Generationenhilfen gibt es inzwischen in zahlreichen hessischen
Gemeinden. Die vielen Menschen, die sich in diesen Vereinen und
Initiativen freiwillig und unentgeltlich engagieren, leisten all das,
was Familie, Freunde und gute Nachbarn leisten. Ihre Hilfen bieten
das, was vor allem ältere Menschen bei altersbedingten
Einschränkungen an Unterstützung brauchen: Fahr- und
Besuchsdienste, Begleit- und Einkaufshilfen, handwerkliche
Unterstützung oder Gartenhilfen, aber auch beispielsweise eine
gemeinsame Mittagstafel. Sie ersetzen dabei keinen Pflegedienst,
keinen Handwerksbetrieb und kein Taxiunternehmen. Vielmehr engagieren
sich die „nachbarschaftlichen Helferinnen und Helfer“ je nach
ihren individuellen Fähigkeiten und Ressourcen. Diese Vereine und
Initiativen haben viele Namen. Sie nennen sich „Seniorenhilfen“,
„Generationenhilfen“, „Nachbarschaftshilfen“ oder auch
„Seniorengenossen-schaften“. Neben den praktischen Hilfen sind
die sozialen Angebote, das Miteinander vor Ort, ebenfalls wichtig.
Dort, wo sich mehrere Generationen zusammenfinden, wächst die
Verantwortung füreinander und auch die Lebendigkeit.<<
Viele
schöne Worte. Ob diesen auch konkrete Taten in Form einer Versorgung
mit den erforderlichen Dienstleistungen gegenüber stehen, muss jeder
Betroffene durch eigene Recherchen feststellen. Meine eigenen hatten
jedenfalls ein niederschmetterndes Ergebnis (siehe auch mein Beitrag
"Bedrückende Betreuungslücke" in diesem Blog). FAZ-Net
beschreibt dagegen einen prosperierenden Mark für neue haushaltsnahe
Dienstleistungen:
>>
„Das ist eindeutig ein Trend. Es gibt immer mehr kleine
Unternehmen, die solche Alltagsdienste anbieten“, sagt ein Sprecher
des Verbandes der Ersatzkassen in Hessen (VDEK). Viele ambulante
Pflegedienste arbeiteten zudem mit Dienstleistern für die
Alltagshilfe zusammen.
Welche
Dienstleister Betreuungs- und Alltagshilfe anbieten, erfahren
Versicherte auch direkt bei ihrer Pflegekasse. Dort werden Listen mit
zugelassenen Anbietern geführt. Um die 300 sind das nach einer Liste
der Pflegekasse der IKK in Hessen, davon arbeiten 15 in Frankfurt,
unter diesen etablierte Organisationen wie VDK oder DRK, aber auch
Einzelunternehmer.
Die
Stundensätze werden individuell ausgehandelt und schwanken nach
Angaben des Verbandssprechers stark. Er nennt Zahlen zwischen 5 und
55 Euro. <<
Im
Vorfeld der Pflegebedürftigkeit tut sich dennoch ein erhebliches
Versorgungsdefizit auf, das für Menschen mit familiärem Rückhalt,
Bezieher üppiger Ruhestandsbezüge oder Menschen mit Pflegestufe
vielleicht kaum spürbar ist, für die Übrigen aber erhebliche
Einschränkungen der Lebensqualität mit sich bringen kann. Die
Schaffung neuer Fachbegriffe für das sich öffnende Tätigkeitsfeld
und neuer Berufsbezeichnungen für die dort Tätigen (Haushaltshilfe
für Senioren, Betreuungskraft/Alltagsbegleiter_In,
Senioren-assistent_In
usw.) ändert hieran wenig, zumal auch hier der Mangel
vorprogrammiert sein dürfte, weil die neuen Sozialberufe genauso
unattraktiv und belastend zu sein scheinen wie die traditionellen
Pflegeberufe. Und Senioren ohne Pflegestufe müssen für jede Stunde
Hilfe bezahlen.
Gerade
den Senioren am Rande der Altersarmut oder den bereits von
Altersarmut akut Betroffenen, deren Zahl in den nächsten Jahren -
trotz
allen Abwiegelns der üblichen Verdächtigen - zu einem
Millionenheer anwachsen wird, brauchen andere Lösungen, die
preiswert, schnell und praktikabel sind. Ehrenamtliche Aktivpaten,
vermittelt von lokalen Freiwilligenagenturen, oder Ehrenamtliche über
den Freiwilligendienst aller Generationen (FDAG), deren geringe
Kosten z.B. eine Diakoniestation als Einsatzstelle übernimmt, wären
interessante Ansätze. Hierbei könnte eine angemessene
"Selbstbeteiligung" der Betroffenen, zumindest in Form
eigener Aktivitäten (Selbsthilfe und Selbstorganisation) durchaus
zur Bedingung gemacht werden!
Die
im ehrenamtlichen Bereich immer stärker zutage tretenden
Monetarisie-rungstendenzen
und die zunehmende Vermarktlichung
sozialer Dienstleistungen sind in diesem Zusammenhang allerdings
als kontraproduktiv anzusehen. Wenn zum Beispiel gewerblichen
Pflegediensten zwecks Entwicklung neuer Geschäftsmodelle angeraten
wird (vgl. Broschüre "Pflege komplett" der Hessen-Agentur,
Seite 82)
>>
Ziel muss sein, mit altersspezifischen Service-, Unterstützungs- und
Betreuungsangeboten neue Nachfragegruppen zu erschließen und so die
wirtschaftliche Grundlage des eigenen Dienstes zu verbreitern. Damit
werden frühzeitig Kundenbindungen manifestiert, die später – wenn
notwendig – auch Pflege- und Behandlungsleistungen in Anspruch
nehmen werden. [...] Die neuen Dienstleistungsangebote sind in
rechtlicher und quantitativer Hinsicht so zu gestalten, dass sie im
gegebenen Fall den Status der Freigemeinnützigkeit nicht in Frage
stellen. <<
und
man dann die Betreiber eines solchen privatwirtschaftlichen
Pflegedienstes zugleich als Vorsitzende eines gemeinnützigen
Generationenhilfe-Vereins antrifft, kommt schon der Verdacht einer
Verquickung von Erwerbsinteresse und Ehrenamt auf.
Abschließend
sei noch auf die vielfach bestätigte Erfahrung eingegangen, dass
sich der objektive Bedarf an Haushalts- und Alltagshilfen nicht in
einer entsprechenden Inanspruchnahme entsprechender Angabote
widerspiegele. Dies kann nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung
als Rechtfertigung dafür dienen, auf die Entwicklung entsprechender
Unterstützungsangebote zu verzichten. So wird unter "Pflege
komplett" (Seite 74 ff) ausgeführt:
>>
Zielorientierte Informations- und Beratungsangebote sind zentrale
Voraussetzung für den Aufbau niedrigschwelliger, ergänzender
Dienstleistungs-angebote. Sie dienen gerade bei Haushalten mit
älteren und hochbetagten Personen dazu, wesentliche Hemmnisse bei
der Inanspruchnahme abzubauen. Besondere Bedeutung kommt dem
Erstkontakt bzw. der Erstinanspruchnahme zu. Gerade bei Haushalten
älterer Menschen gilt es zunächst Vertrauen durch behutsame
Kontaktierung aufzubauen. Konnte bei diesen Haushalten eine erste
Inanspruchnahme ergänzender Dienstleistungen erreicht werden, fällt
die Inanspruchnahme weiterer Angebote deutlich leichter.
Zugang
gerade zu Haushalten mit schwierigen, prekären Bedarfslagen ist
häufig nur durch aufsuchende Angebote und nur mit einer aktiven
Ansprache zu erreichen. Dies macht die Angebote zeit- und
personalaufwändig, ist aber, wenn diese Haushalte erreicht werden
sollen, unumgänglich. Um Kenntnis von bzw. Kontakt mit diesen
Haushalten zu erhalten, sollten Beratungsstellen oder auch
Wohnungs-gesellschaften in die aufsuchenden Angebote mit eingebunden
werden. <<
Etwa
drei Viertel (2,08 Millionen) aller Pflegebedürftigen wurden zu
Hause versorgt, die meisten davon allein von Angehörigen. Das
betraf knapp 1,4 Millionen. Bei rund 692.000 der Menschen, die zu
Hause gepflegt wurden, geschah das mit Hilfe ambulanter
Pflegedienste.
Gut
ein Viertel (783.000) der Pflegebedürftigen lebten in
Pflegeheimen. Im Vergleich zu 2013 stieg die Zahl der in Heimen
vollstationär betreuten Menschen eher unterdurchschnittlich um 2,5
Prozent oder 19.000 - im Vergleich zu 2001 sind es allerdings
192.000 mehr, was einem Anstieg um ein Drittel entspricht. Deutlich
zugenommen hat die Pflege zu Hause um 11,6 Prozent oder 215.000
zwischen 2013 und 2015, was auch auf die zahlreichen Reformen der
Pflegeversicherung zurückzuführen ist.
Im
Schnitt betreute ein Pflegedienst 52 Pflegebedürftige. Von den
rund 13.300 ambulanten Diensten waren etwa zwei Drittel in privater
Trägerschaft. Ein Drittel hatte einen freigemeinnützigen Träger,
wozu etwa Diakonie und Caritas zählen. Insgesamt arbeiteten bei
den Pflegediensten rund 356.000 Beschäftigte, die Mehrheit davon
in Teilzeit. Das entspricht dem Statistikamt zufolge etwa 239.000
Vollzeitstellen. Von den 2,9 Millionen Pflegebedürf- tigen wiesen
etwa 1,2 Millionen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz
auf.
Mit
zunehmendem Alter steigt der Anteil der Pflegebedürftigen unter
den Seniorinnen und Senioren. Im Jahr 2015 waren laut Statistischem
Bundesamt 83 Prozent der Pflegebe-dürftigen 65 Jahre und älter,
37 Prozent sogar mindestens 85 Jahre alt.
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Etwa 90 Prozent der Altenfürsorge wurde 2005 in kommunaler Regie
betrieben. Manche Kommunen haben die Altenpflege an einschlägige
Dienstleistungsfirmen übertragen. Einige haben ferner
Wahlmöglichkeiten für ältere Menschen bezüglich der häuslichen
Pflege und des betreuten Wohnens eingeführt – ausgeübt von
kommunalen oder privaten Trägern. Ziel der von den Kommunen
ausgeführten Altenpflege ist die Möglichkeit, älteren und
behinderten Menschen ein normales und selbstständiges Leben zu
gewährleisten. Sie sollen so lange wie möglich in den eigenen vier
Wänden wohnen können.
Zu
Hause werden den Älteren verschiedene Arten von Unterstützung
angeboten. Diese Unterstützung besteht unter anderem aus Essen auf
Rädern oder Hilfe beim Putzen und Einkaufen, Sicherheitsalarm und
Fahrbereitschaft. Darüber hinaus gibt es Pflege und Betreuung, die
vom häuslichen Pflegedienst oder der ambulanten Krankenpflege
angeboten wird.
Ganze
94 Prozent der über 65-Jährigen Schweden leben weiterhin in
normalen Wohnungen und Häusern. Der Anteil sinkt mit zunehmendem
Alter. Bei der Planung von Wohnungen und Wohngebieten achten die
schwedischen Kommunen darauf, dass auch ältere Menschen und
Menschen mit Behinderungen dort leben können. Auch sollen die
kommerziellen und öffentlichen Dienstleistungen leicht zugänglich
sein, damit ältere Menschen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und
selbstständig sein können.
[...]
Bei der Renovierung älterer Häuser wird ein Teil der Wohnungen
angepasst, um den Bedürfnissen und Wünschen älterer Menschen
Rechnung zu tragen. Ältere Personen mit Behinderungen können bei
der Kommune eine Beihilfe zur altersgerechten Anpassung der Wohnung
beantragen, damit sie weiterhin dort wohnen können. Bei Bewilligung
des Gesuchs trägt die Kommune die gesamten Kosten, ungeachtet der
finanziellen Voraussetzungen des Antragstellers. Die Beihilfe kennt
keine Obergrenze. 2005 betrugen die durchschnittlichen Kosten einer
für eine behinderte Person angepassten Wohnung 13.200 Kronen.
[...]
In Schweden wollen immer mehr Ältere in einer Seniorenwohnung
leben. Hierbei handelt es sich um normale Wohnungen für über
55-Jährige. Sie wurden unter dem Aspekt der bestmöglichen
Barrierefreiheit geplant. Zum Teil bestehen sie aus Neubauten,
während andere wiederum normale Wohnungen sind, bei denen im
Zusammenhang mit Umbauten und Renovierungen die Zugänglichkeit
verbessert wurde.
[...]
Der Anpassungsgrad variiert. Die Bewohner solcher Anlagen können zu
Hause häusliche und ambulante Pflege erhalten. Zur besseren
Sicherheit der Bewohner haben viele solche Wohneinheiten eigene
Hausmeister. Auch Gemeinschafts-räume, beispielsweise Küchen mit
der Möglichkeit des gemeinsamen Kochens sind vorgesehen.
Älteren
Menschen, die weiter in ihren eigenen vier Wänden leben, stehen zur
Erleichterung mehrere Formen der Unterstützung zur Verfügung.
Nahezu alle Kommunen in Schweden haben Essen auf Rädern im Angebot,
die an ältere und behinderte Menschen geliefert werden. Fast die
Hälfte der Kommunen bietet gemeinsame Mahlzeiten in Tageszentren
für Ältere an. Eine geringere Anzahl Kommunen organisiert
Kochteams für Ältere in kleineren Gruppen. Kann eine ältere
Person nicht mehr den Alltag alleine bewältigen, kann sie von der
Kommune eine häusliche Pflege beantragen. Der Umfang dieser
Beihilfe wird geprüft.
[...]
Ältere und behinderte Personen haben Anspruch auf Fahrbereitschaft
mit dem Taxi oder einem speziellen Fahrzeug. Dies gilt für
Personen, die keine allgemeinen Verkehrsmittel benutzen können.
Über die Hälfte der Fahrdienstberechtigten ist über 80 Jahre alt.
[...]
In den letzten Jahren erfolgte die Einführung mehrerer neuen Formen
des präventiven Gesundheitsdiensts für ältere Menschen. Studien
haben die guten Auswirkungen solcher Maßnahmen nachgewiesen. Ein
Beispiel dafür sind physische Aktivitäten auf Rezept, sowohl als
Präventivmaßnahme wie auch als Behandlung. Es wird nicht nur
allgemein Bewegung verschrieben, sondern eine bestimmte Art
physischer Aktivität, eventuell kombiniert mit der Verabreichung
von Arzneimitteln. Ärzte überwachen das Ergebnis.
Bei
älteren Menschen stellen Körperverletzungen das größte
gesundheitliche Risiko dar. Bei älteren Menschen werden ferner
umfangreiche Maßnahmen zur Reduzierung von Unfällen durch Stürze
durchgeführt. Diese bestehen in Information und Bereitstellung von
speziellen „Hilfskräften“ in kommunaler Regie, die den älteren
Menschen beispielsweise beim Aufhängen von Vorhängen und
Auswechseln von Glühbirnen zu Hause behilflich sind. Eine
Pflegegarantie gilt in allen Phasen der Pflege. Alle
Pflegebedürftigen sollen beispielsweise innerhalb von sieben Tagen
einen Arzttermin erhalten. Eine fachärztliche Behandlung soll nach
Überweisung innerhalb von 90 Tagen erfolgen.
Ungefähr
drei Viertel der Kosten für die Gesundheits- und Krankenpflege
werden über Steuereinnahmen finanziert. Staatliche Zuschüsse
decken etwa 20 Prozent ab. Die in normalen Wohnungen oder besonderen
Wohneinrichtungen ausgeführte Krankenpflege für ältere und
behinderte Menschen wird vor allem über die Kommunalsteuer
finanziert. Patientengebühren decken gut drei Prozent der
Gesamtkosten für die Gesundheits- und Krankenpflege. <<
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